Sonntagsfrühstück, 30.Januar

Einen wunderschönen guten Morgen!

Endlich frei – ich habe den Ruhestand geschafft. Der Wecker klingeln nicht mehr um um 6 Uhr, doch die innere Uhr gewöhnt sich nur langsam an den neuen Tagesablauf. Mehr als mein halbes Leben habe ich in der Druckbranche gearbeitet – eine fordernde Aufgabe mit Termindruck und viel Verantwortung, wenig Freizeit und Familienleben. Ich war gerade 38 Jahre als mein Mann nach einem Herzinfarkt mit 45 Jahren verstarb und ich hatte plötzlich die alleinige Verantwortung für ein Geschäft mit 25 Mitarbeitern. Der Betrieb lief sehr gut bis zur Wirtschaftskrise und später musste ich mich mit der Konkurrenz der Online-Druckereien herumschlagen.

2014 habe ich mich dazu entschlossen, die Produktion aufzugeben und nur noch als “Einmann” Agentur weiter zu machen. In Zeiten, in denen es das Thema Print ohnehin schwer hatte, blieb mir zum Glück ein sehr grosser Teil des Kundenstamms erhalten. Es waren gute Jahre – doch 2020 kam Corona, was meine Kunden spürten und letztendlich auch ich. Nun bin ich 66 Jahre – gesund und fit – hätte auch noch gut und gerne ein oder zwei Jahre länger arbeiten können. Denke aber es ist der richtige Zeitpunkt – endlich Zeit für Dinge, für die man im Berufsleben neben Familie und Haushalt kaum Zeit gefunden hat. Mit Beginn des Ruhestand endlich genügend Gelegenheiten, um Hobbys, Garten, Reisen und viele andere Dinge nachzugehen, die man schon immer einmal tun wollte.

Hobbys, wie zum Beispiel das Reiten sind nicht nur ein Zeitvertreib, sondern füllen auch ein Loch das entsteht, wenn Menschen vom ausgelasteten Berufsleben in den Ruhestand wechseln. Darüberhinaus ist es gut für Geist und Seele. Viele arbeiten ein Leben lang und von heute auf morgen haben sie unendliche viel Freizeit. Das wirft so manchen aus der Bahn und sie fallen in ein Loch aus Langeweile und Trübsal, sobald die ersten “Rentenwochen” hinter ihnen liegen.

Da ich ein ausgesprochenes Gewohnheitstier bin, möchte ich nicht in den Tag hineinleben, sondern brauche einen strukturierten Tagesablauf. OK, zum Frühstück lasse ich mir jetzt mehr Zeit und sehe nicht alle paar Minuten auf die Uhr und beim wöchentlichen Einkauf hetze ich nicht mehr durch die Gänge. Emmi hat das Glück, dass sie nun zweimal Täglich zur Gassirunde darf.

Die nächsten Wochen werden noch Zeitintensiv, denn die langersehnte Bad Sanierung steht an, das Büro muss ausgeräumt werden und es ist Zeit, das Haus ordentlich auszumisten. Man muss kein Messie sein, um unnötig viel Hausrat anzusammeln, im Laufe der der Jahre passiert das von ganz alleine, vor allem dann, wenn man unter Zeitdruck steht. Im Keller stehen drei kaputte Kaffeemaschinen und fein sortiert ein ganzer Kasten mit überflüssigen Schrauben. Ganz zu Schweigen von den vielen Christbaumkugeln und Weihnachtsschmuck, den alten Schallplatten und Bücher, die ich nie im Leben lesen werde. Weg mit dem alten Sonnenschirm, der Schreibmaschine und Fax. Leider abgedroschen – aber wahr, Ordnung ist das halbe Leben und so werde ich mir meinen Kleiderschrank nächste Woche vornehmen. Der Schrank ist voller Klamotten und bei manchen Teile wird es mir richtig schwer fallen, wie zum Beispiel mein schwarzes, langes Dirndl, das ich mir vor viiiielen Jahren für eine Hochzeit gekauft habe. Es zwickt, spannt und atmen ist kaum möglich, doch bisher habe ich es nicht übers Herz gebracht es weg zu geben. Das Dirndl wanderte schon einmal in die Kiste namens “Zweite Chance”, denn schliesslich war es sehr teuer. Doch bei meiner Aktion sehe ich keine Chance, denn auch meine Tochter zeigt für das Dirndl keinerlei Interesse, obwohl es ihr gut passen würde.

Weniger ist mehr – so lautet die Devise zum Rentenbeginn und so werde ich mich von vielen überflüssigen Dingen befreien, um mehr Luft zum Atmen zu haben.

Wünsche Euch einen schönen Sonntag!