Heute mal kein Stress!
Ein Selbstversuch
Es ist Samstag Morgen, 8.00 Uhr – heute möchte ich mal wieder gemütlich frühstücken gehen und anschließend durch die Stadt bummeln, ohne Stress, Zeitdruck und etwas erledigen zu müssen. Einfach für mich, einfach zum genießen. In meinem Lieblingscafe mitten in der Stadt finde ich auf Anhieb einen freien, sonnigen Tisch. Was für ein Glück. Bis auf zwei Tische sind alle bereits belegt oder reserviert. Zufrieden setze ich mich mit dem Gesicht zur Sonne.
Es ist allgemein noch ruhig in der Stadt. Ich studiere die Karte und entscheide mich für ein kleines Frühstück, 2 Eier im Glas mit Butterbreze, ein frisch gepresster Orangensaft und natürlich einen Cafe Latte. Zufrieden und entspannt genieße ich mein Frühstück und lasse mir dabei die Sonne ins Gesicht scheinen.
kleines Frühstück genießen
Was gibt es schöneres? Kennen Sie noch den Ausdruck Kaffehauskultur? Warum ich darauf komme, weil das Cafe in dem ich bin “Kaffeehaus” heißt, das hat mich zum Nachdenken gebracht. Es liegt am Stadtbach und lädt zum Verweilen ein, im Sommer wie im Winter sitzt man hier gerne, genießt den herrlichen Kaffee mit Frühstück oder kleine Snacks zur Mittagszeit.
Warum ist es so selten geworden, dass ich meine Samstag Vormittage in der Stadt verbringe? Früher stand das gut und gerne einmal im Monat auf dem Programm. Liegt es nur an mir? Ich denke man wird für manche Dinge auch immer bequemer, Frühstücken gehen heißt früh raus, fertig machen, mit dem Auto in die Stadt zu fahren und so schnell man sich versieht ist der Vormittag weg. Wie gut es aber tut, mal die Perspektive zu wechseln, sich bedienen zu lassen und einfach zu relaxen. Und dann kommt noch, dass sich auch die Umgebung und das Umfeld ändert. Es gibt nicht mehr viele gute Cafes direkt in der Stadt.
Bei uns sind viele gute Bistros und Cafes aus der Innenstadt geflohen. Hohe Mieten und sinkende Besucherzahlen. Die Leute verbringen heute einfach nicht mehr wie früher ihre Samstage damit genüßlich frühstücken zu gehen und anschließend in der Stadt und auf dem Markt die Besorgungen für das Wochenende zu machen. Dafür gibt es inzwischen zahlreiche kleine Cafes die Coffee to go anbieten. Die Kaffeehauskultur von früher in der sich die Leute trafen und sich ausgetauscht haben verschwindet immer mehr aus unseren Innenstädten. Es ist einfach seltener Luxus geworden, so auch bei mir. Umso mehr kann ich es heute genießen.
Nach kurzer Zeit bekomme ich Gesellschaft von meiner Tochter, wir verquatschen und und ich übersehe komplett die Zeit. Ich frage sie, ob sie noch Zeit hat mich bei meinem Schaufensterbummel zu begleiten. Sie schaut mich fragend an. Gibt es das Wort Schaufensterbummel eigentlich noch? Ich habe es selber schon lange nicht mehr gehört aber ihren entgeisterten Gesichtsausdruck kann ich nicht nachvollziehen. Sie fragt mich was ich denn da genau machen will. Um die Sache abzukürzen sage ich knapp, einfach ein bisschen bummeln – das scheint bekannter. Ja, so ist das, die jungen Leute machen ihre Schaufensterbummel eher Zuhause vor dem Laptop – am besten auf der Couch – wenn nebenbei der Fernseher läuft. Ich muss zugeben, dass ich mittlerweile auch überzeugter Online-Shopper bin, aber ein entspannter Bummel durch die Stadt hat auch seine Reize. Vor allem kann ich hier die Kleidung direkt probieren und Farben und Qualität im Original prüfen. Als wir bezahlten ist es schon wesentlich lebhafter in der Stadt. Wir schlendern die Einkaufsstrasse hinunter und beobachten das rege treiben. Schön ist es bei uns, manchmal tut es gut ein bisschen Abstand von Gewohntem zu bekommen, um Neues daran zu entdecken. Was für eine schöne, kleine Stadt. Ich wurde wie meist, bei Hallhuber, Mango und zu guter Letzt im Depot fündig. Mein Stresslevel ist zum Schluss deutlich gestiegen. Lange Schlangen an den Umkleiden und Kassen, viele laute Menschen und die Uhr. Beim Blick auf die Zeit blieb mir fast das Herz stehen. 14.00 Uhr! Ich bin noch nicht Zuhause, erschöpft von der Hitze und eigentlich habe ich heute noch nichts geschafft. Weg mit dem Gedanken, ich muss nichts schaffen, es ist Wochenende und heute möchte ich mir einen schönen Tag gönnen. Um diesen Gedanken zu entkommen und weil ich eine kurze Pause brauche lasse ich mich auf einer schattigen Bank im Stadtpark nieder.
Langsam komme ich wieder runter und finde immer mehr Gefallen daran die Leute zu beobachten. Ruhig schlendern sie mit Kinderwagen, Hunden, einzeln oder zu mehren durch den Park und genießen diesen herrlichen Tag. Ich nehme es zurück, nicht alles hat sich verändert, ältere Menschen stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich. Bepackt mit Körben voller frischem Obst und Gemüse – wohl am Markt gekauft. Vielleicht bin nur ich, die sich verändert hat?
Wieder ein Blick auf die Uhr, fast 15.00 Uhr, das schlechte Gewissen treibt mich dann doch zum Auto. Erschöpft und schwer bepackt komme ich Zuhause an und denke wie anstrengend Nichtstun doch ist. Ich muss sagen – es reizt jetzt, mit schweren Beinen schon sehr, mich auf die Terrasse in den Schatten zu legen und noch ein Stündchen zu relaxen. Aber, die innere Unruhe lässt das nicht lange zu. Sehr ärgerlich – aber heute zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wer immer nur muss, darf auch mal. Diese Devise gefällt mir und sollte geübt werden. Das Hamsterrad des Lebens kann auch mal eine Weile still stehen wie ich finde. Ein Selbstversuch der mir gezeigt hat, dass ich auf einem guten Weg bin, aber noch lange nicht am Ziel. Morgen ist aber auch noch ein Tag, und am Montag Feiertag.