Der Schlüssel zur nächsten Türe?
Es gibt viele Ereignisse in unserem Leben die uns prägen. Manche hinterlassen jedoch solch eine immense Wirkung, dass sie unseren Lebensweg, ob beruflich oder privat in eine völlig neue Richtung lenken. Diese Ereignisse nennt man dann Schlüsselerlebnisse.
2014 sollte sich mein Leben schlagartig ändern, denn mit fast 60 Jahren erlitt ich einen beruflichen Rückschlag und musste meine Firma schließen und 7 Mitarbeitern kündigen. Existenzängste, Frust und Traurigkeit bestimmten für lange Zeit meinen Alltag. Es zog mir den Boden unter den Füssen weg. Meine Mitarbeiter waren zum Teil seit über 20 Jahre in der Firma, man kannte sich, man kannte die Familien , man könnte sagen wir waren eine große Familie. Sicher war der Beruf und die Firma mit viel Arbeit und Stress verbunden, aber ich liebte meine Arbeit und für ein Hobby blieb keine Zeit, denn die Wochenenden waren ausgefüllt mit Haus- und Gartenarbeit und ein klein wenig Zeit zum Erholen.
Mama du brauchst ein Hobby, tönte meine Tochter!!
Aber Reiten stand nun wirklich nicht auf meinem Wunschplan, ganz im Gegenteil, ich möchte meine Entscheidungen immer noch selbst treffen. Schnell hieß es jedoch Top oder Flop. Was ich nicht wusste, es war alles arrangiert und ich wurde so zu sagen ins kalte Wasser geworfen, denn meine Tochter hatte bereits die erste Reitstunde vereinbart. Bis dahin war Sport nur ein Wort, was sich in erster Linie im TV abspielte, meist auf der Couch oder sogar eine kurze Zeit über mit meinem Hometrainer vor dem Fernseher.
Beim Reiten überkam mich jedoch ein Ehrgeiz über den ich selbst erstaunt war – und auch mein Unfall einige Monate später konnten mich nicht davon abbringen, wieder Reitstunden zu nehmen. Natürlich waren die ersten Reitstunden mit Angst und Zweifel überschattet, nicht zu vergessen ist mein Alter. Aber ich bin konstant und stetig über mich hinausgewachsen, auch wenn ich mich oft geschämt habe. In den ersten Reitstunden war ich oft von Kindern umgeben, die mit einer Leichtigkeit und ohne Angst die Stunde absolvierten. Ich habe gelernt Hilfe anzunehmen, denn als Anfänger ist man auf Hilfe angewiesen. Ich habe nie gelernt um Hilfe zu bitten, aber im Reitsport kam ich schon tausendmal in die Situation, um Hilfe zu Bitten und vor allem auch dankend und gerne anzunehmen.
Meine Kondition hat sich die Jahre über wesentlich verbessert, ich habe plötzlich Muskeln und heute bei meiner Krankengymnastik meinte die Therapeutin ich hätte eine gute Rückenmuskulatur. Auch wenn sich meine Kondition verbessert hat, nach einer Reitstunde habe ich immer noch einen Hoch-Roten-Kopf und benötige hinterher eine Zeit um “auszuschnaufen” oder ich brauche zwischendurch auch mal eine Pause, aber es wird immer besser. Es gibt auch heute kaum eine Reitstunde, in der alles klappt, ganz im Gegenteil. Oft steigt man unkonzentriert aufs Pferd, was sich schon nach wenigen Minuten rächt und das Pferd andere Wege geht als man möchte. Zum Galoppieren fehlt mir immer noch der Mut, aber ich habe in den letzten Jahren so viel gelernt, dass der Galopp mein grosses Ziel für 2018 ist.
Der Stall ist meine Ruhe-Oase, bin ich nervös oder unruhig oder auch traurig, fahre ich zum Stall. Die sanften Riesen zu beobachten, das Geräusch wenn sie Heu fressen oder dich mit ihren rehbraunen Augen ansehen um Hallo zu sagen oder nachzusehen vielleicht ein Leckerli in der Tasche hat.
Aber auch die Menschen die ich am Stall kennenlernen durfte, sind hilfsbereit und aufgeschlossen. Auf die geselligen Abende am Donnerstag-Stammtisch freue ich mich jede Woche. Die spontanen oder geplanten Feste sind für mich eine große Bereicherung, auf die ich nicht mehr verzichten möchte.
Deshalb ist der Einstieg in die Reiterei für mich ein Schlüsselerlebnis. Ich habe festgestellt, dass ich mutig und ehrgeizig bin, außerdem nicht so ungelenkig und unsportlich wie ich immer dachte. Egal ob Pferd putzen, Stallarbeit, Spaziergänge oder Reitunterricht – Spass steht hier im Vordergrund. Ein tägliches Glücksgefühl wenn Rosii an der Stalltüre steht und mich wiehernd erwartet.
Man muss nur den Willen haben – dann kann man alles schaffen!!