Ein zweiter Versuch?

Teil 2 – Werde ich wieder aufsitzen?

Prima, die Reitlehrerin meinte freundlich es werden noch weitere zehn Reitstunden an der Longe nötig sein. Sie wollte gleich die nächste Stunde vereinbaren, ich vertröstete sie und sagte ich melde mich telefonisch. Sie verzog das Gesicht, es ist wohl in Reiterkreisen nicht üblich erst seinen Terminkalender zu überprüfen.

Endlich im Auto und den Reitstall verlassen. Nun spürte ich, dass mein Hintern und die Füße schmerzten. Zwischen den Fingern spürte ich auch ein brennen und bemerkte eine Wasserblase. Wow – sowas hatte ich noch nie an den Händen. Fasziniert bemerkte ich das Gleiche an der anderen Hand aber selben Stelle. Von was kommt denn das?

Zuhause empfing mich meine Tochter euphorisch, sie wollte jede Kleinigkeit wissen, tausend Fragen. Ganz ehrlich: Ich wollte meine Ruhe haben und nicht mehr darüber sprechen. Möchte nicht wissen was für einen Muskelkater ich morgen haben werde. Nach ca. 2,2 Tagen ließen die Schmerzen endlich nach. Ich wusste nicht welches Körperteil mehr schmerzte, der Hintern, die Oberschenkel, Nacken und Oberarme. Seit wann hat man oder besser, seit wann habe ich am Bauch Muskeln die sich so bemerkbar machen können? Die vielen Fachbegriffe, die mir um die Ohren geworfen wurden, weckten jedoch meine Neugier was ich da eigentlich hätte machen sollen. So kam es, dass ich begann in dem Buchmaterial das meine Tochter besorgt hatte , nachzulesen. Schnell stellte ich aber fest, dass die meisten Lektionen und Abschnitte schwer zu verstehen sind. Noch mehr Fachbegriffe, nein danke. Es blieb dann nur bei den Seiten Pflege des Pferdes und Ausrüstung für den Reiter. Was mich natürlich sehr interessierte war welche Kleidung und welches Zubehör beim Reiten wichtig ist. Also blätterte ich in den Katalogen von Krämer und Loesdau die wir jede Saison bekommen. Die Bekleidung gefiel mir sehr gut. Shirts, Pullover, Westen und Hosen in allen Farben, schick und tragbar auch in meinem Alter. Das konnte man bestimmt auch im Alltag tragen. Eine enge Hose, dazu Stiefel bis zum Knie…! Toll, die Bilder im Katalog. Ist ja auch wichtig im Stall chic zu sein, oder?

Beim Reithelm, der bei meiner ersten Reitstunde natürlich Pflicht war , scheiden sich die Geister. Natürlich ist Sicherheit wichtig, aber die Frisur war nach der Reitstunde völlig ruiniert. Die Haare waren strähnig, platt und nass geschwitzt.

Kann man reiten lernen, wenn man die Fachbücher liest und am besten auswendig lernt? Nein, lesen und Praxis sind wohl wie immer zwei paar Stiefel. Man sollte auch nicht das Buch von hinten lesen – wie ich – und dann völlig frustriert und überfordert das ganze Thema hinterfragen. Was heißt Paraden, Schulter herein, Mitteltrab, Galoppverstärkung, Doppellonge, Gewichtshilfen (seit wann braucht Gewicht Hilfe?), Anlehnung, Schenkelweichen, ganze und halbe Paraden, Losgelassenheit, und Versammlung (Versammlung im Verein? Wann? Wo?). Oh, da werden ein paar Reitstunden wohl nicht ausreichen. Trotz alledem verbrachten wir fast jeden Tag am Stall, beim Pferd meiner Tochter. Ein sonniger und trockener Mai, das Wetter war toll. Die wunderschöne Aussicht vom Reitplatzplatz auf Berge und den darunter liegenden See, die unglaublich nette Gemeinschaft. All das lenkte mich von meinen negativen Gedanken ab und ließ mich in der Zeit , die wir am Stall verbrachten alle Sorgen kurz vergessen. Hier war der Ort zum Abschalten, keine Fragen zu Terminen, Preisen, Finanzierungsproblemen. Auffallend bis heute: Pferdemenschen sprechen meist ausschließlich über Pferde. Zusatzfutter, Training, Trainer, Hufschmied, Zubehör und und und. Mich überraschte welche Neid in mir hochkam wenn die Reiter in einer Gruppe zum Ausritt den Stall verließen und hinterher erzählten wie schön es war. Ebenso erging es mir als Zuschauer am Zaun des Reitplatz, wenn die anderen Einsteller ihre Pferde trainierten.

Das war wohl auch der Grund warum ich mich zu weiteren Reitstunden angemeldet habe 😉